Zwei junge Frauen im Garten der Sommervilla der Familie Herzstark in Rodaun (0.00). Während aus dem Bildhintergrund der ältere Sohn der Familie, der Erfinder und Rechenmaschinenvertreter Curt Herzstark auftritt, läuft der jüngere Sohn, der Kinobetreiber, Amateurfilmer und Sportschütze Ernst Herzstark von rechts kommend im Vordergrund durchs Bild. Dass die Szene für die Kamera inszeniert wurde, wird spätestens klar, als Ernst zum Bocksprung über die beiden Frauen hinweg ansetzt. Noch während des Sprungs kommt von links kurz die Mutter der beiden Brüder, Marie Herzstark ins Bild. Die kleine Szene endet damit, dass Curt Herzstark den beiden Frauen die Hand schüttelt und sich in Richtung der Villa aus dem Bild entfernt.

Insert: "Hohe Schule der Hundedressur: Wilde Bestie vorgef. von Papa Herzstark." (0.31); Das Bild zeigt, was der Zwischentitel ankündigt: Das Oberhaupt der Familie, der Fabrik- und Kinobesitzer Samuel Jakob Herzstark führt mit seinem Hund für die Kamera einige Kunststücke vor.

Insert: "Großmutters Filmdebut." (1.00); Es ist die Großmutter mütterlicherseits, die 1849 in Neumarkt-Kalham in Oberösterreich geborene Marie Toman, die am Arm ihrer Tochter und begleitet von ihrem Enkel Curt Herzstark durch den Garten der Sommervilla geleitet wird, auf einer Bank Platz nimmt und schließlich in halbnaher Einstellung in die Kamera winkt.

Insert: "Wird einer gefallen? Hutprobe im Garten vor dem Ausflug!" (1.23); Die ebenfalls inszenierte Szene beginnt mit einer kleinen Rangelei zwischen Vater Samuel und Sohn Curt Herzstark, deren Grund zunächst verborgen bleibt. Erst die folgende, halbtotale Einstellung zeigt, dass die angekündigte Hutprobe ein Spiel für die Kamera darstellt, mit Vater Samuel als Zentrum der Handlung.

Insert: "'EINE' die fürs Hüteprobieren Verständnis hat." (2.11); Die junge Frau aus der vorangegangenen Szene nun allein und in halbnaher Einstellung im Bild. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um Ernst Herzstarks Frau Milka. Sie streckt den Arm aus, winkt in die Kamera und wirft dieser schließlich eine Kusshand zu.

Insert: "Ober St. Veit: Wintersport am roten Berg." (2.35); Für sein Filmjournal hat Ernst Herzstark auch ein populäres Freizeitvergnügen festgehalten, das Rodeln. Der rote Berg war schon in den Dreißigerjahren und ist bis heute ein städtisches Naherholungsgebiet, das neben Spazierwegen und Wiesenflächen für Sport und Spiel auch über einen Rodelhang verfügt. Neben der hohen Frequenz der Rodler und den vielen Stürzen fällt vor allem das dichte Spalier von ZuschauerInnen auf, die den Rodlern wenig Platz lassen und sich dadurch selbst immer wieder in Gefahr bringen. Wie den beiden Zwischentiteln der Sequenz zu entnehmen ist, gab es entlang des Rodelhangs für das Zuschauen privilegierte, weil von den Rodlern schwierig zu meisternde Stellen; die Lust am Spektakel der Stürze führte aber offenbar zu keinen schweren Unfällen.

Insert: "Pörtschach am Wörthersee: Motorbootfahrt am See!" (5.12); Verschiedene, wenig spektakuläre Aufnahmen des Wörthersees in Kärnten von einem fahrenden Motorboot aus.

Insert: "Ried, Nied. Österr.: Ein neues, angeblich in Preis und Leistung epochales Kleinauto wird einer Gruppe von Industriellen, die dessen Erzeugung übernehmen sollen, vom Konstrukteur vorgeführt." (5.49); Die Kamera zeigt Samuel Jakob Herzstark rechts neben dem Kleinwagen stehen. Wer der Konstrukteur ist und wer die übrigen Industriellen, geht aus den Aufnahmen nicht hervor. Die Kamera geht näher an das Auto heran, nach einem Schnitt sitzt Samuel Herzstark im Wagen, winkt der Kamera zu und unternimmt mit einem jungen Mann als Chauffeur eine Probefahrt. Am Schluss, wenn der Wagen an seinen Ausgangspunkt zurückkehrt, sieht man die beiden Insassen noch einmal in Großaufnahme, gefolgt von einem grafisch gestalteten Insert, welches das Ende des Filmjournals anzeigt.

weniger anzeigen

Samuel Jakob Herzstark (* 10. Oktober 1867 in Wien; † 24. Oktober 1937 in Wien) war Mitbegründer und ab 1915 Alleininhaber der Firma „Rechenmaschinenwerk Austria, Herzstark & Co.", dem ersten Unternehmen in Österreich, das Rechenmaschinen bzw. Teile derselben erzeugte. Von 1912 bis zur Liquidation kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Firma ihren Sitz im 13. (heute 15.) Wiener Gemeindebezirk, und zwar in der Linken Wienzeile 274. Im selben Gebäude befanden sich auch die Wohnungen der Familie. Während der ältere Sohn, Curt Herzstark, schon bald nach seiner Ausbildung an der Seite des Vaters in die Firma eintrat und sich sowohl um den Vertrieb als auch um die Entwicklung von neuen Maschinen kümmerte (in Technikerkreisen ist der Name Curt Herzstark in erster Linie mit der Entwicklung der CURTA verknüpft, der einzigen mechanischen Vierspezies-Rechenmaschine im Taschenformat), entdeckte der jüngere Sohn, Ernst Herzstark, schon bald sein Interesse für populäre Unterhaltungsformen, den Motor- und den Schießsport (zwischen 1939 und 1957 war Ernst Herzstark fünfmal Staatsmeister im Tontaubenschießen). Nicht zuletzt um seinem jüngeren Sohn ein Betätigungsfeld zu verschaffen, kaufte Samuel Herzstark im Herbst 1931 die „Kristall-Palast-Lichtspiele", ein Kino mit 600 Plätzen unweit des Riesenrads im Wiener Prater. Ernst Herzstark war dort - unterstützt von seiner Frau Milka - Geschäftsführer, bis das Kino 1944 durch einen Brand zerstört wurde.

In seinen Lebenserinnerungen bezeichnete Curt Herzstark den Tod des Vaters im Oktober 1937 als eine „Gnade Gottes": „Nicht auszudenken, wie es ihm als Juden unter Hitler ergangen wäre! Mit Sicherheit hätte er alles verloren, was er zusammen mit Mutter mühevoll aufgebaut hatte. Und wahrscheinlich wäre er, wie später einige seiner Verwandten, in einem Konzentrationslager gelandet und elend umgekommen." Nach dem Tod Samuel Herzstarks war für die Familie die politische Entwicklung in Österreich bereits absehbar. Als Besitzerin sowohl der Firma als auch des Kinos wurden nicht die Söhne, sondern die Mutter, Marie Herzstark eingetragen. Curt Herzstark blieb das Schicksal des Konzentrationslagers dennoch nicht erspart. Im Juli 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet, in „Schutzhaft" genommen und nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnis in Pankrác im November 1943 als „politischer Häftling" in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Vermutlich rettete sein technischer Sachverstand Curt Herzstark das Leben. Er überlebte das KZ als „Intelligenzsklave" im Rüstungsbetrieb Gustloff-Werk II. Nach der Befreiung am 11. April 1945 kehrte er über Umwege nach Wien zurück, wo es ihn - aufgrund fehlender Produktionsmöglichkeiten für seine Erfindung, die Taschenrechenmaschine CURTA - aber nicht lange hielt. Als das Fürstentum Liechtenstein an der Maschine Interesse zeigte, begann für Curt Herzstark im Mai 1946 ein neuer Lebensabschnitt. Er starb am 27. Oktober 1988 in Nendeln, Liechtenstein.

Literatur:

Curt Herzstark: Kein Geschenk für den Führer. Schicksal eines begnadeten Erfinders. München 2005.

weniger anzeigen